Wo es Öl und Benzin an den Kragen geht

Zwei Veltener Firmen entwickeln mit Hilfe der Humboldt-Universität neues Verfahren zur Dekontaminierung von Böden

Oranienburger Generalanzeiger
21.03.2015
Von Roland Becker

Das Veltener Unternehmen Greibo Chemie hat in Zusammenarbeit mit zwei weiteren Firmen und mit der Berliner Humboldt-Universität ein neues Verfahren entwickelt, mit dem kleinere kontaminierte Flächen gesäubert werden können.

Das kann ganz schön aufwändig werden: Wird in einem innerstädtischen Wohngebiet eine alte Tankstelle abgerissen, um Platz für einen Neubau zu schaffen, ist davon auszugehen, dass der Boden von Öl und Benzin verschmutzt ist. Und es ist auch damit zu rechnen, dass sich die Schadstoffe über das Tankstellen-Gelände hinaus ausgebreitet haben. Eine Lösung bestünde darin, das Erdreich auszutauschen. Doch um den gesamten kontaminierten Boden ausheben zu können, müssten im Ernstfall gleich noch die Häuser neben der Tankstelle abgerissen werden. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, das Erdreich mit Wasser zu waschen. „Das aber kann sich über Jahre hinziehen. Mit unserem Verfahren minimieren wir den Zeitaufwand“, verspricht Volker Schulz, Geschäftsführer der am Projekt beteiligten Veltener Tiefbaufirma Henning & Quade.

Das Zaubermittel nennt sich Greipon FKM und ist ein Tensid, mit dem Verunreinigungen des Erdreichs aus jedem Sandkorn herausgefiltert werden können. An dieser Stelle kommen das auf Bodensanierung spezialisierte Greifswalder Unternehmen in-situ-systems GmbH und das Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte der Humboldt- Uni ins Spiel. Die Greifswalder entwickelten mit Henning & Quade die Technik für die Säuberung kleinerer kontaminierter Flächen und die Wissenschaftler der Uni tüftelten an dem dafür nötigen Tensid. „Unser aus nachwachsenden Rohstoffen entwickeltes und biologisch abbaubares Tensid sorgt dafür, dass die Schadstoffe abgebaut werden.“ Nach erfolgreichen Tests musste nun eine Firma gefunden werden, die das Tensid produziert.

Für Grothes Firma war das genau die richtige Herausforderung. „Wenn du Fisch bist, musst du dich im Karpfenteich bewegen: Wie die Lachse, immer auf Achse“, umschreibt Senior-Chef Gerhard Grothe die Suche nach immer neuen Herausforderungen für seine 14 Mitarbeiter, von denen immerhin drei in der Forschung tätig sind. Zu diesem Trio gehört Dr. Christine Zimbal. Salopp gesagt, sorgt sie im Labor immer für die richtige Mischung. Ihr obliegt es, für die jeweilige kontaminierte Insel im Erdreich das Tensid in der richtigen Stärke und Zusammensetzung herzustellen. Die Veltener Firma ist dann dafür verantwortlich, den flüssigen Stoff in den benötigten Mengen herzustellen. Und jeder Sanierungsfall erfordert eine andere Rezeptur. Ein wenig klingt das, als befinde man sich in der eigenen Waschküche. Dort stehen ja auch diverse Fläschchen, um gegen jeden hartnäckigen Schmutz angehen zu können – ob es sich nun um einen Kaffee-, Teer- oder Blutfleck handelt.

Man könnte meinen, dass die an dieser Neuerung beteiligten Firmen nun so richtig kräftig zu tun haben und den Markt, besser gesagt die Baustellen, aufwirbeln. Dem ist aber nicht so. Grothe und Schulz räumen ein, dass ihr Service eine durchaus kostspielige Sache ist. „Viele scheuen sich, das nötige Geld in die Hand zu nehmen“, bedauert Schulz.

Manche Kunden aber nutzen bereits die Vorteile der Erfindung. Dazu zählt Vattenfall. Aktuellstes Beispiel: In Berlin- Schöneweide ist aus einer maroden 30-KV-Leitung Kabelöl ausgelaufen. Um die Kontamination zu beseitigen, setzt Vattenfall darauf, Greipon FKM ins Erdreich pumpen zu lassen. Hätte das Energieunternehmen auf die konventionelle Methode zurückgegriffen, das Erdreich auszutauschen, wären derzeit mehrere Fahrspuren des Adlergestells – eine von Berlins größten Ausfallstraßen Richtung Süden – gesperrt werden müssen.

Entwickling Verfahren zur Dekontaminierung von Böden mit Humboldt-Universität

Auf die richtige Mischung kommt es an: Dr. Christine Zimbal ist dafür verantwortlich, dass im Labor für jeden Einzelfall die richtige Rezeptur von Greipon FKM gemischt wird. Mit dem Tensid kann kontaminiertes Erdreich auf biologische Art gesäubert werden Foto: Roland Becker